Lange Zeit gewannen die Tuchmacher Fasern für ihre gewebten Produkte auf der Basis von tierischen Rohstoffen. Im Zuge der Industrialisierung experimentierten Chemiker mit neuen Grundstoffen. Noch bevor die Industrie im 20. Jahrhundert künstliche Fasern aus Rohöl herstellte, gab es Versuche mit Rohstoffen aus der Natur. Bis heute sind Viskose oder Acetat Gewebe, die aus natürlichen Grundstoffen entstehen. Tencel/Lyocell gehört zu den umweltfreundlichen Kunstfasern aus nachwachsenden Ressourcen. Durch Experimente stellte man fest, dass Zellulose aus Holz ein ideales Vorprodukt für Lyocell ist. Durch Modifikationen des Zellstoffes erhielten die Pioniere der künstlichen Fasern Lösungen, die sich zu Fäden verarbeiten ließen. Fasern aus Wolle bestanden aus kurzen oder längeren Einzelfäden, die in verschiedenen Spinnverfahren zu Garn wurden. Um Lyocell zu erzeugen, schmolz man Zelluloseester im Lösemittelbad zu einer Flüssigkeit. Diese ließ sich durch Spinnverfahren zu endlosen Fäden ziehen oder pressen. Für feinste Strumpfwaren fand ein einzelner Faden, Monofil genannt, Anwendung. Für die Herstellung von Tuch auf Lyocell-Basis fasste man mehrere Einzelfäden wie lange Fasern zusammen und verzwirnte sie.
Kunstfasern aus geschmolzener Viskose gerieten mit dem Aufkommen von jenen aus Rohöl etwas in Vergessenheit. Seit den Dreißiger Jahren setzte man auf Chemiefasern. In den Sechzigern gab es einen regelrechten Hype um Nylon, Dralon und andere Fasern aus chemischen Grundstoffen. Das änderte sich mit der Ressourcenverknappung von Rohöl und dem Wunsch, Kunstfasern unter umweltfreundlicheren Bedingungen zu erzeugen. So ermöglichte die Produktion von Garnen auf Zellulosebasis den Verzicht auf Pestizide und die Einsparung von Wasser. Darüber hinaus stellte man fest, dass die Kunstfaser Lyocell besondere Eigenschaften aufwies, die Verbrauchern zugutekamen. Im Jahr 2000 wurde eine Faser aus Lyocell unter dem Markennamen Tencel geschützt. Das Produkt erhielt wegen seiner hohen Umweltfreundlichkeit bis heute verschiedene Auszeichnungen.
Seitdem ist Tencel/Lyocell überaus gefragt. Die Gewinnung aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz ermöglicht eine nahezu unbegrenzte Nutzung der Faser. Darüber hinaus eignet sich Lyocell für die Herstellung von textilen Produkten, die nach atmungsaktiven und antiallergischen Eigenschaften verlangen. Zur Herstellung von textilen Flächen verarbeitet die Tuchindustrie die Kunstfaser zu Viskose. Die Zwirne dieser Qualität sind dünn, sehr strapazierfähig und lassen sich vielseitig einsetzen. So dient Viskose als Ersatz für echte Seide in Blusen, Tops und Kleidern. Diese Textilien können ausgesprochen seidig aussehen oder den Charakter von Baumwollgeweben haben. In Spezialverfahren entstehen darüber hinaus Vliese, die beispielsweise zu Outdoorjacken verarbeitet werden. Eine gute Trocken- und Nassfestigkeit prädestiniert das Material für den Einsatz in Funktionskleidung. Mit seinen hervorragenden Eigenschaften eroberte Lyocell die Welt des Sports.
Ein besonderer Pluspunkt von Lyocell ist die Tatsache, dass dieses Material allergieauslösenden Stoffen keine Chance bietet. Aus gutem Grund wird die Kunstfaser in Matratzen und Bettwaren verarbeitet. Mit einer hohen Fähigkeit, Feuchtigkeit aufzusaugen und wieder abzugeben, trägt die Faser dazu bei, ein gutes Raum- beziehungsweise Schlafklima zu erzeugen. Der Bildung von Hausstaub mit der Folge, dass Milben auftreten, wird durch das Material Einhalt geboten. Lyocell ist pflegeleicht und bis 60 °C waschbar. Auf das Bügeln können Sie verzichten, da die Kunstfaser aus natürlichen Rohstoffen weitgehend knitterarm ist.
In der Mode finden sich immer mehr Hemden, Blusen und sogar Pullover mit einem Mischgewebe. Viskose, Baumwolle und auch Elasthan spielen beispielsweise in der Herstellung von Jeans eine bedeutende Rolle. Das weiche Lyocell verleiht Denim einen ausgezeichneten Tragekomfort. Durch Elasthan erhalten eng sitzende Jeans eine angenehme Anschmiegsamkeit. Darüber hinaus wird das umweltfreundliche Material für modische Pullover und fließende Kleider verwendet. Den Ideen für neue Produkte mit Tencel/Lyocell sind kaum Grenzen gesetzt.